Gedanken zum Gendern (part I). War mal: Augsburg (Rund um Fußball)

frodoNtour, Sunday, 13.03.2022, 11:02 (vor 793 Tagen) @ holger
bearbeitet von frodoNtour, Sunday, 13.03.2022, 11:34

Uff. Das Gendern. Das ist ein großes Thema. Was mich generell bei solchen Diskussionen stört, ist, dass sie schnell im geistigen Schützengraben landen und den anderen Beteiligten (von beiden Seiten aus!) Extremismus, Dumpfbackigkeit, Ideologisierung etc. unterstellt wird und man selbst in eine dickköpfige Anti-Haltung der anderen Seite gegenüber kommt.
Beispiele (sinngemäß aus unserem Forum): „Aufgehört zu lesen.“ „Gut so.“

Konkretes Beispiel aus der aktuellen Diskussion: Die Mitgliederinnen: Auf der einen Seite wird so getan, als ob diese Skurrilität ein Massenphänomen wäre (in dem Fall auf die Grünen bezogen) -> was es definitiv nicht ist. Auf der anderen Seite werden die, die das nennen, selbst als blöd dargestellt: „Rentnergerücht“ „Niemand, der sich Gedanken darüber gemacht hat, würde das tun.“

Kurzes googlen hat mir gezeigt: Ja, das existiert (ist also kein Rentnergerücht), aber ebenfalls keine flächendeckende Formulierung.

Puh, geht's noch unterhalb extremer Zuspitzung?

Gerade so etwas (die anderen als blöd darzustellen) erinnert mich an die eristische Dialektik, also das Phänomen, dass ich durch andere „Schlachtfelder“ (-> bspw. den persönlichen Angriff) mich der differenzierten Auseinandersetzung entziehe, in der es eben keinen Sieger sondern eben nur den argumentativen Austausch geben kann (sollte das nicht eine ergiebige Diskussion sein?).

Aber: Völlig klar ist, dass es auf beiden Seiten engstirnige Ideologinnen und Ideologen gibt. Im einen Extrem: Gendern ist völlige gequirlte Sch*#%&/ bis hin zu, dass Frauen, die nicht gendern, sich dem Patriarchat unterwerfen.

Jetzt zu mir persönlich und meiner Sicht auf das Gendern:
Ja, ich kenne das Konzept des generischen Maskulinums und die Unterscheidung zwischen Genus und Sexus. Aber: So wie sich in den letzten 70 Jahren viele Aspekte des Zusammenlebens von Frau und Mann sich zum Positiven verändert haben (zum Beispiel Familie, Kinder, Haushalt Job, ganz viele rechtliche Aspekte...), sehe ich das Unbehagen von Frauen am generischen Maskulinum als absolut nachvollziehbar an und eine rein auf die Grammatik fokussierte Argumentation gegen den Gebrauch der m und f Form als zu kurz gedacht. Warum sehe ICH das so? Sprache ändert sich. Sprache ändert sich üblicherweise aus dem alltäglichen Gebrauch heraus (und meiner Ansicht nach nicht aus der akademischen Definition), was auch gesellschaftliche Prozesse widerspiegelt. Wenn also ein ziemlich großer Teil der Gesellschaft das generische Maskulinum als ausschließend empfindet („mitgemeint“), sehe ich hier sprachliche Veränderungen von der Basis her (als natürlichen Sprachwandel) als nachvollziehbar an. Heißt das, dass die Person, die das nicht mitmacht, engstirnig, ausschließend denkt und handelt? Kann sein, muss aber nicht. Das schnell (und auch unreflektiert) zu unterstellen, halte ich für falsch. Dass es dennoch zutreffen kann? Klar!

Was wirklich lustig ist: Im weitestgehend akademischen Freundeskreis bin ich einer der wenigen, der auf das generische Maskulinum verzichtet. Und witzigerweise verzichten fast alle Frauen im Freundeskreis auf das Gendern. Sind sie Opfer des Patriarchats? Nö, gebildete und erfolgreiche und emanzipierte Frauen ;-)
Im beruflichen Umfeld (einer 97%-Akademikerinnen/-Akademiker-Blase) gendere ich selbstverständlich. Gemäßigt. Die w und m Form verwende ich und nutze manchmal das Gerundium (ha, alter Lateiner). Die Sternchen-Form verwende ich kaum. Das schmerzt mich nämlich sprachlich im Zusammenhang mit dem Dativ (hö, alter Lateiner. Gramatiksensibel ;-) Achtung: Doofer Witz: Bilde einen Satz mit Dativ und Genitiv: Genitiv ins Wasser, weils Dativ ist.)

Auf der anderen Seite bin ich im beruflichen Umfeld eben ganz viel von Nicht-Akademikerinnen und Nicht-Akademikern umgeben, wo ich eben auch integrativ und (nicht gendernd gemeint) sprachsensibel agieren muss. Ich sehe, dass meine gemäßigte Gendersprache auf der anderen Seite auch ausschließend ist, weil sie die Kommunikation im Beruf erschwert und damit manche Menschen in ihrer Entwicklung (integrativ, lernend…) behindert. Gerade da erweist sich das Gendern mit Sternchen als Hürde. Darum gendere ich nur gemäßigt.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum